Die erste Begegnung

Reisebericht eines Kreuzfahrtneuling

Text: Josefine Spiro

Josefine Spiro, Produzentin digitaler Inhalte für Havila Voyages.

Josefine Spiro, Produzentin digitaler Inhalte für Havila Voyages.

Reisebericht eines Kreuzfahrtneuling

Text: Josefine Spiro

Josefine Spiro, Produzentin digitaler Inhalte für Havila Voyages.

Josefine Spiro, Produzentin digitaler Inhalte für Havila Voyages.

„Auf die Plätze … fertig … los!“

Die unverwechselbare britische Stimme gehört zu einem Mädchen, nicht älter als vier. Sie ist voller Enthusiasmus, sodass sogar die müden Gäste in der übersichtlichen Frühstücksschlange aufschauen, um zu sehen, woher diese Stimme kommt. Sie sind sicher neugierig, was ein kleines Kind so glücklich machen kann – noch vor dem Frühstück.

Aber das Mädchen stellt sich nicht für die Schlange beim Frühstück an. Stattdessen springt sie rüber zu den runden, gepolsterten Designer-Stühlen neben den riesigen Fenstern, durch welche man den Fjord und die Berge bestaunen kann. Im Gegensatz zu den Deutschen, Italienern und Norwegern, welche in den stylisch eingerichteten Sitzbereichen hinter ihr sitzen, begutachtet sie die wundervolle Landschaft hinter den Fenstern.

„Auf die Plätze, fertig, los!“, ruft das Mädchen wieder, dabei gibt sie dem Stuhl einen kleinen Schubser und sieht zu, wie er sich im Kreis dreht, während sich die Landschaft drumherum verändert.

Ihr jüngerer Bruder – immer noch so kahl, wie bei seiner Geburt – lächelt auf den Armen seines Vaters am Anfang der Schlange, während sie darauf warten, das Havrand Restaurant betreten zu können. Der kleine Mann schafft es, sich aus den Armen seinen Papas zu schälen und läuft zu den aufregenden Stühlen, bis die Kellnerin des Hotels sie begrüßt und ihrem Kollegen Bescheid gibt, wo sich die Familien setzen darf. Daraufhin wird die Familie zu ihrem reservierten Frühstückstisch gebracht. Die Prozedur der Reservierung reduziert die Anzahl der Menschen, die im Restaurant herumlaufen und dadurch die Ruhe der essenden Personen stören.

Fast 30 Minuten sind vergangen, seitdem ich in Torvik im Süden von Sunnmøre an Bord der Havila Capella gegangen bin. Ich bin aufgeregt. Vor vier Tagen habe ich angefangen, als Digital Content Creator für Havila Voyages zu arbeiten und dies ist meine erste Reise mit diesem jungen Schiffsunternehmen. Es ist so besonders, dass sogar mein Mann und unsere drei Söhne; Zwillinge im Alter von sieben und ihr älterer Bruder, 10 Jahre, an die Seite des Hafens kamen, um das Schiff zu sehen. Ich konnte keine einzige Träne entdecken, sondern nur pures Staunen für das eindrucksvolle Schiff, das im Hafen lag.

Der nächste Halt ist Ålesund und darauf fahren wir weiter zum berühmten Welterbe: zum Geiranger Fjord. Wir werden vollkommen leise fahren. Ja, das hast du richtig gelesen.

Das Schiff, das den „Next Generation Ship Award 2022“ gewonnen hat, hat die weltweit größten Batteriepacks, was bedeutet, dass es für vier Stunden ohne jegliche Emissionen fahren kann. Wenn wir nicht batteriebezogen fahren, dann wechselt das Schiff zu verflüssigt natürlichem Gas.

Kombiniert mit der effektiven Nutzung des Schiffes reduzieren wir die CO2-Emissionen um bis zu 40 Prozent gegenüber vergleichbaren Schiffen auf der Route. Und wir reduzieren NOx- und SOx-Emissionen bis zu 90 Prozent. Dass wir unseren ökologischen Fußabdruck in den Fjorden und an der Küstenlinie Norwegens kleinhalten, gibt mir ein besseres Gewissen beim Reisen.

Die Kellnerin des Hotels Hege Antonsen sagte mir, dass das Restaurant ausgebucht ist mit Gästen, die ihr Frühstück von 8:30 bis 9:00 reserviert haben. Aber ich soll nach 9:30 wiederkommen und dann würde sie ein Tisch für mich finden.

Hege Antonsen ist Schulleiter bei Havila Capella.

Hege Antonsen ist Schulleiter bei Havila Capella.

In der Zwischenzeit schaue ich mich ein bisschen auf dem Schiff um. Obwohl das Schiff komplett ausgebucht ist, hat man dennoch eine geräumige Atmosphäre. Die Gemeinschaftsbereiche sind ausgestattet mit komfortablen, hochwertigen Möbeln in stilvollen skandinavischen Designs und somit auch hell und luftig. Die riesigen Fenster, aufgereiht in mindestens vier der neun Decks, geben einem das Gefühl, von der Natur umgeben zu sein. Das ist jedoch nicht nur ein Gefühl; wir segeln tatsächlich durch das Beste der Natur. Das Meer kann wie ein Spiegel sein – so wie gerade – oder es lädt uns dazu ein auf seinen aufschäumenden weißen Pferden zu reiten. Hier ist es gut zu wissen, dass die Rolls Royce Neptune 200 Stabilisatoren dafür sorgen, dass das Schiff sicher und geschmeidig selbst bei windigem Wetter fahren kann. Und sollte der Wind Sturmstärken erreichen, habe ich gute Tipps dagegen, seekrank zu werden, so wie beispielsweise das Auge auf den Horizont gerichtet zu lassen, kleine Mahlzeiten zu essen, kaltes Wasser zu trinken und auf Zucker zu verzichten.

DDas Einzige, was meinen kleinen Tisch von der Kücheninsel im Herzen des Restaurants trennt, ist eine geölte Eichenholzwand. Ich passe meine Ohren dem Ton der männlichen Stimme an. Die Bestellung wird in schwedisch aufgegeben. Einmal Rührei. Ein Croissant mit Schokoladenstreuseln. Einmal Ei und Speck. Einmal Porridge.

Der stellvertretende Küchenchef Oscar Carlander hat alle Hände voll zu tun, um die Bestellungen an die Kellner zu liefern.
(Fürs Protokoll; das Foto wurde beim Mittagessen aufgenommen)

Ein Servierer erscheint schnell an meinen Tisch und bietet mir Kaffee und Saft an, bevor der Kellner kommt und mir eine kurze Einleitung zu dem Menükonzept an Bord von Havila Capella gibt.

Havila Food Stories - der Geschmack Norwegens. Während unserer Rundreise – von Bergen nach Kirkenes und zurück – fährt das Schiff durch vier unterschiedliche „food universes“ mit einem eigenen Geschmack je Universum. Die Menüs – für Frühstück, Mittagessen und Abendessen – werden alle drei Tage gewechselt, sodass ich die unterschiedlichen Regionen, durch die wir fahren, kennenlernen kann. Das bedeutet aber nicht, dass es nur eine kleine Auswahl gibt. Im Gegenteil – du kannst jeden Tag etwas Neues ausprobieren. Es gibt auch festgelegte Gerichte im Menü, sodass du dir dein Lieblingsgericht während der Reise aussuchen kannst.

Das Frühstücksmenü kann man am besten als „á la carte buffet“ beschreiben. Das bedeutet, ich kann bestellen, was ich möchte und dies wird dann zu meinem Tisch gebracht. Seit ich meine Reise mit Havila Gold aufgebessert habe – der Schlüssel zu ein bisschen Luxus an Bord – kann ich mich auch frei bei einer zusätzlichen Menüauswahl zwischen mehr Gerichten und Getränken entscheiden. Durch Havila Gold habe ich außerdem freien Zugang zu den Kaffeeautomaten auf dem Schiff, was ich besonders heute nach einer schlaflosen Nacht an Land sehr schätze.

Ich habe gehört, dass viele bei ihrem ersten Frühstück an Bord mehr Essen bestellen, als sie vertragen können, weil sie "alles" probieren wollen. Also beginne ich mit drei Gerichten: weiches Rührei, Roggenbrot und Schinken, der mir nach ein paar Minuten am Tisch serviert wird. Wenn ich merke, dass ich noch Platz für mehr habe, füge ich eine "Fünf am Tag"-Schale mit Obst, Beeren und Gemüse hinzu. Das sollte mich satt halten bis zum Mittagessen.

Item 1 of 10

Um 10:00 Uhr verlassen wir Ålesund und fahren Richtung Geiranger. Es dauert noch ein paar Stunden, bis wir in den Welterbe-Fjord einfahren können, sodass das Bord-Expeditionsteam alle Gäste eingeladen hat – auch die, die gestern in Bergen dazugekommen sind – in den Konferenzraum auf Deck 6 zu kommen. Hier gibt uns Marie Stömbeck eine bildreiche Präsentation von dem Ausflug, den wir machen können in Norwegens nördlichste Stadt Kirkenes. Ich bin gespannt, mehr zu erfahren, also setze ich mich in die erste Reihe.

Der heutige Ausflug geht mit dem Bus von Geiranger bis zum berühmten Ørnesvingen (Adler Schlag), mit einen Panorama Blick auf den Welterbe-Fjord mit den “Seven Sisters“-Wasserfällen, dem Örtchen und den Bergen. Wir werden auch durch Bauerndörfer mit der kleinen, hiesigen Fähre durch den Fjord fahren und durch fließende Flüsse Richtung Trollstigen. Er hat insgesamt 11 Schleifen den steilen Berghang runter, es ist also sehr beeindruckend, dass dort eine Straße gebaut werden konnte. Die größte Aussichtsplattform soll 200 Meter über der Straße liegen.

Trollstigen

„Es ist als würde ein Traum wahr werden – das absolut Beste von Norwegen“, sagt Marie.

Obwohl es offensichtlich ist, dass sie diesen Ausflug verkaufen möchte, habe ich keinen Zweifel daran, dass all ihre Wörter wahr sind. Aber in diesem Fall sind viele andere Elemente der Reise in derselben außergewöhnlichen Kategorie. Ich habe mich für den Ausflug von Geiranger nach Trollstigen angemeldet und ich freue mich schon sehr darauf. 

In den nächsten 20 Minuten lerne ich alles, was ich wissen muss, um viele Ausflüge auf meinen Weg nach Kirkenes zu buchen.

An Tag drei, der morgen ist, kann ich zwischen vier verschiedenen Ausflügen in Trondheim wählen, welche alle wenigstens einen flüchtigen Blick auf die berühmte Nidaros-Kathedrale gewähren.

An Tag vier gibt es nicht weniger als sechs Ausflüge, so wie eine RIB (rigid inflatable boat) Safari nach Saltstraumen und den Seeadlern in Bodø, Wandern in der nördlichsten norwegischen Natur und Abendessen mit den „Wikingern“ im längsten nachkonstruierten Wikinger-Haus im Norden.

An Tag fünf gibt es drei verschiedene Ausflüge in der Sommer Saison. Einer davon beinhaltet ein fahrendes Theater in Tromsø mit örtlichen Schauspielern, die lebhaft die Fänge aus dem arktischen Ozean, Polarexpeditionen, Wagemut und Abenteuerlust präsentieren.

Als Marie den Ausflug präsentiert wird ein Bild gezeigt, von der ersten Frau, die den Winter in Svalbard und Spitzbergen verbracht hat: Ihr Name war Hilde Fålun Strøm. Sie erwähnt auch andere Polarentdecker und -abenteurer, so wie Fritjof Nansen und Roald Amundsen.

Eine weitere Option ist eine begleitete Bustour nach Tromsø. Aber es wird nicht viel Zeit im Bus verbracht. Die Tour besucht das Polaria Artic Experience Center, wo du die natürliche arktische Tierwelt sehen kannst und mehr über die Interaktionen zwischen den in der Polarregion lebenden Tieren (inklusive der Menschen) lernen kannst. Und du kannst den Bergaufzug zum Dach von Tromsø, 421 Meter über den Meeresspiegel nehmen. Dort kannst du einen kurzen Spaziergang in den Bergen machen oder das Restaurant dort oben besuchen.

Ich werde aber den Bus Richtung Tromsø Wilderness Center nehmen, um deren 189 alaskische Huskies zu besuchen.

Tag sechs bietet vier verschiedene Ausflüge während der Sommermonate, inklusive einer geführten Tour zu den Nordkap-Plateaus, einer Vogel Safari und dem Besuch einer Sámi-Familie. Letzteres ist meine Wahl.

„Die Sámi-Menschen, die du besuchen wirst, sind sehr herzlich. Sie mögen es, Besuchern Geschichten über ihr tägliches Leben zu erzählen“, sagt Marie.

Das ist genau das, worauf ich gehofft habe.

An Tag sieben, welchen ich leider verpassen werde, weil ich das Schiff in Kirkenes verlasse, um meinen Flug nach Hause zu nehmen, gibt es drei verschiedene Ausflüge. Du kannst zur russischen Grenze gehen (aber es wird empfohlen sie nicht zu überqueren, weil es eine Strafe von 5.000 NOK geben wird, wenn man es macht). Oder man kann Königskrabben vom RIB angeln und sie dort auch direkt essen – sehr frisch – auf die klassisch norwegische Art, in einem rustikalen Restaurant in der Nähe des Fjords.

Eine dritte Option ist es, das Kirkenes Schneehotel zu besuchen.

„Du kannst sehen und hören, warum das Hotel im Sommer nicht schmilzt, und du kannst Getränke in einem Glas gemacht aus echtem Eis genießen“, sagt Marie.

Wenn man die Nacht bleiben möchte, kann man auf Reintierhaut in einem Bett gemacht aus Eis schlafen. Es ist gar nicht kalt, laut den Assistenten der Expedition.

Das macht mich neugierig. Aber ich spare mir diese Erfahrung für eine andere Reise – vielleicht, wenn Havila Voyages all ihre vier Schiffe in Betrieb setzt, sodass ich ein anderes Schiff Richtung Süden nehmen kann. In der Zwischenzeit habe ich sehr viel anderes, worauf ich mich freuen kann.

Ein paar Stunden später kündigt eine Stimme – vielleicht Maries? – an, dass wir uns dem Geiranger Fjord nähern und jeder auf das Deck gehen sollte, um dieses Erlebnis zu genießen.

Ich nehme meine Fotografie-Ausrüstung mit zum Bug des Schiffes und stehe dort bereit, mit all den anderen Touristen.

Während ich da mit meinem Stativ stehe, meinen Blick über die schöne Landschaft schweifen lasse und mich an das norwegische Volksmärchen erinnere, trifft es mich nochmal: Wir fahren sehr leise. Ich höre mehr, wie sich das Wasser bewegt als die Maschinen des Schiffes.

Während ich da mit meinem Stativ stehe, meinen Blick über die schöne Landschaft schweifen lasse und mich an das norwegische Volksmärchen erinnere, trifft es mich nochmal: Wir fahren sehr leise. Ich höre mehr, wie sich das Wasser bewegt als die Maschinen des Schiffes.

Als ich meinen Blick von der fantastischen Sicht abwende – und einen kurzen Blick in die Gesichter der anderen Passagiere rechts und links von mir werfe – sehe ich etwas anderes Erstaunliches: Das pure Entzücken von Menschen, die den Moment vollkommen ausleben – mit viel Freude.

Fortsetzung folgt.